Die Liebfrauenkirche in Trier wurde im frühen 13. Jahrhundert erbaut und ist damit eine der ältesten gotischen Kirchen in Deutschland. Die Bauleute kamen aus der Kathedralhütte in Reims und brachten einen neuen, damals spektakulären Baustil mit, in dem der Kirchenbau als Abbild der göttlichen Ordnung galt, als in Stein übersetzte Theologie.
Zum Figurenprogramm gehören auch Ekklesia und Synagoge als Personifizierungen von Kirche und Judentum. Ekklesia wird als stolze, schöne Frau dargestellt, aufrecht, mit erhobenem Haupt. Sie trägt eine Krone als Zeichen ihrer Herrschaft, ein Kreuz als Symbol für das Christentum und einen Kelch als Symbol für den Neuen Bund. Synagoge dagegen hat ihren Kopf geneigt, ihre Augen sind verbunden, denn – so die christliche Lesart – sie hat den Messias nicht erkannt. Die Krone rutscht ihr vom Kopf, ihr Zepter ist zerbrochen. Die Gesetzestafeln, Symbol für den Alten Bund, hält sie kopfüber, sie scheinen ihr zu entgleiten. Auch wenn beide Figuren schön, jung und würdevoll dargestellt sind, wird deutlich ausgedrückt: Synagoge hat ausgedient, ihre Zeit ist abgelaufen, das »neue Israel« ist jetzt die Kirche. Der mittelalterliche Betrachter mag daraus die fatale Lehre gezogen haben, das Judentum habe seine Existenzberechtigung verloren.
Die Zeit, in der diese Figuren entstanden, war nach den Kreuzzugspogromen eine für Juden hierzulande relativ unbedrängte Zeit, aber der latente Antijudaismus nahm zu. Ein an so prominenter Stelle aufgestelltes Statement christlicher Überlegenheit diente auch dem Anschauungsunterricht. Hier kamen täglich Einheimische, aber auch Händler, Pilger und Reisende vorbei, ihnen allen wurde dieses Bild vor Augen geführt. Dabei ist dieses Motiv keine Trierer Besonderheit, sondern findet sich auch an anderen Kirchen der Zeit. Auch wenn sie sich in Details unterscheiden, haben sie eines gemeinsam: Die christliche Überlegenheit wird ins Bild gesetzt und theologisch begründet, Juden wird ihr nachrangiger Platz in der Gesellschaft zugewiesen.
Bilder spiegeln das Denken von Menschen in ihrer Zeit wider und prägen es. Negativbilder wie diese können das gesellschaftliche Klima vergiften und konkreten Taten den Boden bereiten. Rund 50 Jahre nach Entstehen dieser Figuren kam es an Mosel und Rhein erneut zu Judenverfolgungen und etwa 100 Jahre später zu den großen Pestpogromen im gesamten Reich – auch in Trier.
Text: Bettina Hein
Redaktion: Prof. Dr. Frank G. Hirschmann
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